|
Eine erfolgreiche Vergesellschaftung von Kaninchen hängt von vielen Faktoren ab. Bisherige Haltungsformen, Alter, Charkter sowie die Rangordnung aller beteiligten Kaninchen sind nur einige davon. Das Wissen um das Sozialverhalten der Kaninchen ist häufig äußerst lückenhaft und wird noch häufiger auf diversen Internetplattformen und Büchern falsch dargestellt. Ein längst überfälliger und sehr aufklärender Bericht aus der Kaninchenzeitung 11/2012 kann hier endlich Abhilfe und Verständnis schaffen und somit zu mehr Erfolg bei Vergesellschaftungen.
Gruppenhaltung von Kaninchen ohne rosa Brille gesehen
„Kaninchen sind soziale Tiere, sie leben in Sippen, also müssen sie mindestens zu zweit gehalten werden.“ Dieser gut gemeinte Satz kann Tierleid verursachen! Denn nach dieser Aussage muss ein großes „ABER“ folgen und eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen, die es zu ergreifen gilt, damit der Versuch zur Gruppenhaltung nicht in einer Katastrophe endet. Um zu verstehen, wieso sich die angeblich sozialen Tiere ausgesprochen asozial verhalten können, werfen wir einen Blick in den Bau des Wildkaninchens. Wie leben die Tiere eigentlich in ihrer Sippe? Wird da wirklich vor allem gekuschelt, wie es die Befürworter der Gruppenhaltung gerne sehen?
In der Natur ist ein Tier keineswegs so frei, wie man glauben möchte. Es ist in ein System eingebunden, das seine Aktivitäten stark beschränkt. Bei Kaninchen sind dies einerseits das Territorium (Gebiet), in dem sich das Tier aufhalten darf und andererseits die Rangordnung, die ihm einen klaren Platz in der Gruppe zuweist. Futterangebot, Fortpflanzung, sogar die Lebenserwartung werden dadurch beeinflusst. Auf einer Fläche von ca 20 Hektar lebt eine Kaninchensippe, unterteilt in mehrere Familiengruppen. Im Zentrum jedes Familienterritoriums befindet sich ein Wohnbau. er dient den Kaninchen als Schlaf- und Ruhestätte und als Zufluchtsort bei Bedrohung durch einen Fressfeind. Der Bau weist mehrere gerade und gewinkelte Röhren auf, die in den Kessel, den eigentlichen Wohnbau führen. Die Umgebung des Baus ist häufig kahl, denn Kaninchen fressen am liebsten um ihren Bau herum.
Innerhalb der Gruppe gibt es zwei getrennte Rangordnungen, eine für die Männchen und eine für die Weibchen. Die Rangordnung wird immer wieder durch kleine Scharmützel geprüft und gefestigt. Diese verlaufen nach festen Regeln und verursachen normalerweise keine größeren Verletzungen.
Zum ritualisierten Rangordnungskampf gehört etwa das aggressive sich jagen mit kurzem heftigem Gerangel. Das unterlegene Tier flieht und wird vom Sieger nicht verfolgt. Kämpfe innerhalb der Gruppe finden aufgrund der getrennten Rangordnung stets innerhalb des gleichen Geschlechtes statt.
Fremde Kaninchen werden von allen Gruppenmitgliedern angegriffen, am heftigsten vom ranghöchsten Rammler. Wenn der Eindringlich nicht flieht, wird massiv verletzt oder sogar getötet. Gezielt wird in die Genitialgegend gebissen bis zur Kastration. Kaninchen erkennen sich am Gruppengeruch, der dominante Rammler markiert seine Lieben mit seinem Kinndrüsensekret, manchmal auch mit Urin. Wer nicht nach der Gruppe riecht wird angegriffen. Die Aggression kann sich sogar gegen Jungtiere wenden, die beim Herumstreifen mit fremdem Harn bespritzt wurden. Das Leben der Wildkaninchen folgt einem deutlichen Rhythmus. Im Winter, in der Fortpflanzungsruhe, wird fast nur gefressen und geschlafen. Männchen und Weibchen tolerieren sic, nehmen aber weiter keine Notiz voneinander. Die strikte Rangordnung hat sich gelockert. Im Spätwinter ist es vorbei mit der Gemütlichkeit: Unter dem Einfluss von Hormonen werden die Tiere schlagartig aggressiv gegen gleichgeschlechtliche Gruppenmitglieder.
Die ältesten Häsinnen besetzen einen Bau und verteidigen ihn anfänglich energisch gegen andere Tiere. Allmählich werden einige wenige in der nähe des Baues toleriert. Auf diese Wiese bilden sich schließlich neue Gruppen, oft aus Tieren, die sich bereits kennen. Um die neue Rangordnung festzulegen, kommt es zu Kämpfen jeweils innerhalb der Geschlechter. Diese Kämpfe sind heftig und führen auch zu Verletzungen. Das ranghöchste Weibchen und das ranghöchste Männchen bilden das dominante Paar und bewohnen den Hauptbau. Die rangtieferen Tiere müssen sich eigene Röhren graben. Es ist möglich, dass sich rangtiefere Weibchen befreunden und ausgesprochen friedlich zusammenleben. das dominante Weibchen hingegen verhält sich allen anderen gegenüber aggressiv. Eine Sippe besteht aus mehreren Gruppen und umherstreifenden überzähligen Männchen, die weit unten in der Hierarchie stehen und fast immer gejagt werden. Diese Männchen hat die Natur als Reserve vorgesehen, falls ein ranghohes Männchen ausfällt. Im Sommerhalbjahr wächst die Zahl der Tiere an, und neben den Reserverammlern streifen jetzt auch Jungtiere im gesamten Sippengebiet umher. Es können sich neue Gruppen bilden, das Territorium der einzelnen Gruppen wird dadurch kleiner. Mit steigender Populationsdichte nimmt die Föten- und Jungtiersterblichkeit zu, ebenso die Anfälligkeiten für Krankheiten. Rangtiefe Weibchen bringen oft keine Jungen zur Welt, diese sterben alle im Fötusstadium ab und werden resorbiert. Dies als Folge des ununterbrochenen Stresses, dem rangtiefe Tiere ausgesetzt sind. Trächtige Häsinnen verhalten sich gegenüber anderen Weibchen äußerst aggressiv und kämpfen ohne jede Hemmung. Sie tun dies oft auf einer Seite liegend und versuchen, mit scharfen Krallen der Gegnerin die Bauchdecke aufzuschlitzen. So kann die Auseinandersetzung um eine begehrte Setzröhre sogar tödlich enden.
Die Häsinnen werden üblicherweise kurz nach der Geburt wieder gedeckt. Die Jungtiere des ersten Wurfes sind im Alter von vier Wochen auf sich gestellt, denn ihre Mutter beißt sie im Lauf der neuen Trächtigkeit immer energischer weg und verletzt sie dabei sogar.
Das Sommerhalbjahr ist bei den Wildkaninchen geprägt von Kämpfen und Aggressionen rund ums Fortpflanzungsgeschehen. Darunter leiden vor allem die rangtieferen Tiere, die in einem eigentlichen Dauerstress leben. Der soziale Rang, den ein geschlechtsreifes Kaninchen in seiner ersten Fortpflanzungsperiode erreicht, wirkt sich dramatisch auf seine Lebenserwartung aus. Je tiefer die Tiere in der Hierarchie stehen, desto kürzer ist die Lebenserwartung. Weder Nahrungsmittel noch Räuber sind die Hauptursache für die frühen Todesfälle, sonder Kokzidien.
Ein stabiles Immunsystem kann die Parasiten in einem Gleichgewicht halten. Stress schwächt das Immunsystem, die Kokzidien nehmen überhand, das Tier wird krank. Im Blut der rangtiefen Tiere sind in vermehrtem Maß Stresshormone nachweisbar, auch schlägt ihr Herz schneller. Im Verhalten zeigt sich der Stress ebenfalls: Rangtiefe Tiere liegen kaum entspannt, sondern hocken vorwiegend. Aus dieser Position können sie jederzeit rasch fliehen, wenn ein ranghöheres Tier kommt.
+++ Bericht Ende +++
Kaninchen sind Individualisten und so kann eine Gruppenhaltung nur funktionieren, wenn man den Tieren die Möglichkeit gibt ihr Sozialverhalten in alle Richtungen auszuleben, man bedenkt das Jahreszeitenbedingt und mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife eine beträchtliche hormongesteuerte Aggressionsbereitschaft einher geht und vor allem die nötigen Vorraussetzungen geschaffen werden. Andernfalls ist eine Gruppenhaltung nicht sinnvoll und die Zwerge sind lebenslang beträchtlichem Stress ausgesetzt.
Ab und an steht man vor der Entscheidung Kaninchen neu vergesellschaften zu müssen. Sei es, weil man sich anfänglich für einen Zwerg entschieden hat oder weil ein Partner- oder Gruppentier frühzeitig verstorben ist. Viele Kaninchenfreunde haben wegen der großen Informationsflut, welche häufig leider nicht ganz richtig ist großen Respekt vor dieser Aufgabe. Damit keine Fehler passieren, die ein harmonisches Zusammenleben der Zwerge aus schließen geben wir ihnen hier ein paar wichtige Tipps:
Die Grundvoraussetzung für den Erfolg und dauerhafter Harmonie ist immer genug Platz!
Eine Vergesellschaftung von noch nicht geschlechtsreifen Zwergen ist die beste Voraussetzung ist aber nicht immer möglich. Die Charaktere sollten sich bei geschlechtsreifen Zwergen ergänzen was bedeutet, dass ein dominante Zwerge zu unterwürfigen kommen sollten.
Die Verwandtschaft von Tieren wirkt sich nicht auf die Chancen des Zusammenlebens der Tiere aus. Dies ist ein Irrglaube, der fälschlicher Weise immer noch gern verbreitet wird.
In der Regel sind Vergesellschaftungen von jungen Weibchen zu einem älteren Männchen unkompliziert. Zu älteren Weibchen passt ein etwa gleichaltes Männchen. Jüngere noch nicht geschlechtsreife Zwerge ordnen sich aber zwangsläufig älteren unter, so das ein Altersunterschied bei Vergesellschaftungen sehr häufig von Vorteil ist. Kann wegen Kastration eines jüngeren Männchens die Zusammenführung nicht sofort erfolgen werden in diesem Fall die Zwerge in dieser Zeit räumlich getrennt. Empfehlenswert ist die Unterbringung in komplett verschiedenen Räumen. Die Zwerge sollten sich vor einer Zusammenführung nicht sehen und riechen können, denn dies führt häufig zu Aggressionen welche eine spätere Zusammenführung erschweren können. Die Trennung hat den Vorteil, dass sich der neue Zwerg ganz in Ruhe an die neue Umgebung und vor allem Sie die neuen Besitzer gewöhnen kann.
Es ist soweit! Für eine Zusammenführung plant man sich am besten ein Wochenende oder ein paar Urlaubstage ein. Will man es auf Kaninchenart probieren sollte man ein unbekanntes Revier zur Verfügung stellen, also einen für alle unbekanntes Areal, denn gerade heimische Weibchen zeigen ein scharfes Revierverhalten. Das "Gelände" sollte ca 6m² groß sein, damit die Zwerge sich im Bedarfsfall aus dem Weg gehen und auch wieder langsam annähern können. Unterschlupfmöglichkeiten bieten Sicherheit und bilden sichere Orte um sich auszuruhen. Am besten hierfür Pappkartons, Holzhäuschen oder Tunnel. Im gesamten Vergesellschaftungsbereich sollte Wasser, das gewohnte Futter und Heu verteilt sein, denn Fressen baut Stress ab. Sollte es hierbei zu längeren Revierkämpfen kommen kann man auf Menschenart die Situation entweder mit "einer Fahrt ins Grüne" deutlich entspannen. Dazu setzt man die Zwerge in eine Transportbox mit Heu gefüllt und fährt mit Ihnen 1-2 Stunden umher, oder beläst sie mit genügend Heuvorrat über Nacht dort. In 99% der Fälle sind die Zwerge danach die besten Freunde, da sie in dieser Situation lernen zusammen zu halten.
Der größte Fehler! Viele Kaninchenfreunde brechen eine Vergesellschaftung verfrüht ab, weil sie eventuelles Kampfverhalten total fehl interpretieren, Angst und Mitleid sie übermannen. Eine Kaninchenvergesellschaftung kann jedoch ziemlich rüde sein! Also Augen zu und durch. Es kann dazu kommen, dass die Tiere sich erst einmal ignorieren, sich jagen, dass viel Fell fliegt, sie sich prügeln, knurren oder quicken, sich gegenseitig bespringen und am Ende sich beschnüffeln und gegenseitig putzen. Letzteres ist ein erstes Zeichen für Erfolg. Auch wenn es bedrohlich wirkt, die Tiere müssen die Rangordnung klären, man darf auf keinen Fall abbrechen. Eine erneute Vergesellschaftung nach einer abgebrochenen hat oft wenig Erfolgschancen.
Es gibt nur einen Grund für einen Abbruch – eine ernsthafte Verletzung wie eine stark blutende Wunde oder verrenkte Gliedmaßen. Beim Eingreifen im Ernstfall vergessen Sie nicht den Eigenschutz und verwenden Sie Handschuhe und einen Karton oder ein Handtuch zum trennen. Deutliche Anzeichen von einer geglückten Vergesellschaftung sind wiederholtes gegenseitiges Putzen, Kuscheln, gemeinsames Fressen und das Ausbleiben von Streitereien. Erst wenn die Tiere einen Tag lang so beobachtet werden können dürfen sie in ihren an gedachten Bereich umziehen. Der Bereich, welcher einem Zwerg bereits bekannt ist, sollte gründlich z.B. mit Essigwasser gereinigt und komplett neu eingestreut werden. Anschließend sollte wieder an verschiedenen Stellen Futter ausgelegt werden. Von Vorteil ist es auch einige neue Gegenstände ein zu bringen. Als erstes darf dann das neue Tier das Gehege erkunden um sich zu orientieren. Wenn das zweite Tier hinzu kommt kann es wieder zu Streitereien kommen, die sich noch ab und an wiederholen können. Aber auch hier werden Sie nach kurzer Zeit gegenseitiges putzen und miteinander kuschen beobachten und so ist die Vergesellschaftung erfolgreich abgeschlossen.
In unseren Familien sind häufig weitere Haustierarten anzutreffen sind geben wir hier zum Zusammenleben mit anderen Heimtieren einige wichtige Hinweise!
Die beiden Rassen "vertragen" sich augenscheinlich sehr gut und so wird diese Form der gemeinschaftlichen Haltung leider immer noch von einigen Zoohandlungen oder Züchtern beider Rassen oft empfohlen. Jedoch werden hier zwei Gattungen unterschiedlicher Spezies vergesellschaftet die nun wirklich nicht dieselbe Sprache sprechen und auch im Verhalten sehr gegensätzlich sind. Die beiden haben sich buchstäblich - nichts zu sagen. Ein Meerschweinchen ist dem Kaninchen durch sein gequicke oft zu laut und das Meerschweinchen versteht nicht warum das Kaninchen nicht mit Ihm "redet". Zudem sind Meerschweinchen sehr unrein und verteilen Ihr Geschäft im ganzen Käfig oder Stall. Kaninchen dagegen sind sehr reinlich und benutzen nur eine Ecke, oder eine Toilette.
Kaninchen und Hunde sollten niemals ohne Aufsicht laufen gelassen werden. Es ist zwar möglich, dass die beiden sich vertragen, jedoch kann lautes Bellen die Kaninchen schwer erschrecken und verängstigen. Der angeborene Jagdtrieb aller Hunde und auf der anderen Seite die natürliche Angst von Kaninchen gegenüber Hunden ist nicht außer Acht zu lassen. So sollte bei ersten Anzeichen von Stress bei der Zusammenführung kein weiterer Versuch der Vergesellschaftung unternommen werden.
Die Kombination Kaninchen und Katze sollte ebenfalls nur unter Aufsicht erfolgen. Katzen sind sehr verspielt und das verstehen die anfangs zurückhaltenden Kaninchen in den meisten Fällen nicht. Auch hier gilt, dass Katzen ins natürliche Feindschema und für die Katze das Kaninchen ursprünglich ins Beuteschema passt.
Kaninchen und Vögel sollten nach Möglichkeit nicht im selben Raum gehalten werden. Das schrille Gezwitscher kann den Kaninchen in den empfindlichen Ohren wehtun. Außerdem ist die Staubbelastung durch das Gefieder der Vögel recht hoch, was zu Nasenschleimhautproblemen führen kann.
Kaninchen sollen auf keinen Fall mit Nagern wie: Hamster, Ratten, Degus, usw. vergesellschaftet werden. Dies führt oft sehr schnell zu tödlich endenden Auseinandersetzungen.
Im Fazit stellen wir fest, dass Kaninchen nach dem Vorbild der Natur, Paarweise oder in Gruppen gehalten werden sollen, aber auch nur dann, wenn man jedem einzelnen Tier in der Gruppe ausreichenden Platz zum toben bieten und ebenso für Rückzugsmöglichkeiten sorgen kann.
|
|
|
|
|