Die Mär vom Mümmelmann

Fünf populäre Irrtümer über den Osterhasen

MARION KAUFMANN

KÖNIGS WOSTERHASEN Sein Name ist Hase, Osterhase. Sein Auftrag: Eier verstecken. Sein Aufenthaltsort: lange unbekannt. Doch nun ist seine Tarnung aufgeflogen: Hinter dem brandenburgischen Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) verbirgt sich in Wahrheit die Langohrzentrale Königs Wosterhasen. Im dortigen Ortsteil Senzig, auf dem Kaninchenhof von Familie Röder, lebt der Rammler ein richtig schönes Hasenleben, mümmelt im Heu, hoppelt durchs Gras, knabbert an Möhrchen und lässt sich, wenn nicht gerade Ostern dazwischen kommt, den lieben langen Tag hinter den Löffeln kraulen. Die MAZ hat das Langohr in Senzig besucht und dabei erfahren, dass viele Geschichten über den Mümmler schlichtweg Märchen sind.

1. Der Osterhase ist ein Hase

Von wegen! Der Lümmel ist ein falscher Hase! Fast alles, was in der Werbung über den Bildschirm hoppelt, ist in Wahrheit ein Kaninchen. Die sind nämlich kleiner, dicker, ergo niedlicher als ihre kantigen Verwandten. Genetisch sind sich die beiden gar nicht so nah, wie man denkt. Hasen haben 46, Kaninchen nur 44 Chromosomen. "Die meisten sagen trotzdem zu Kaninchen Hasis", sagt Familie Röder. "Das hat sich eben so eingebürgert." Sie wissen ihrerseits ganz genau, wie der Hase läuft. Seit 1999 züchten die 42-Jährige und ihr Mann Zwergkaninchen in allen Fellfarben und Ohrformen und führen außerdem Brandenburgs wohl einziges Hasenhotel. Schlappohrhasen, Stehohrhasen, Löwenzwerge, Teddywidder, rote, braune, schwarze, gefleckte, lang- und kurzhaarige – Familie Röder hat sie alle. Sogar die Pudel unter den Kaninchen, die gelockten Langohren der Rasse "Curly Lop", hüpfen in Senzig durchs Heu. Die 38 Zuchttiere tragen dabei so anschauliche Namen wie Bommel, Moppi, Muffin, Hanutha, Wella, Rapunzel, Loreal oder Milva. Die Ähnlichkeit der Letztgenannten mit der rothaarigen Sängerin ist dabei rein zufällig. Denn anders als bei Hunden, kann man vom Kaninchen nicht automatisch auf das Aussehen des Halters schließen. Von denen gibt es in Deutschland immer mehr. Schätzungen zufolge leben etwa zweieinhalb Millionen Hoppler in deutschen Haushalten. "Kaninchen werden von Jahr zu Jahr gefragter", sagt Familie Röder. Gerade vor Ostern ist die Nachfrage riesig. Die Brandenburger verschicken die Tiere deutschlandweit an kleine und große Langohrliebhaber. Womit wir bereits beim nächsten Irrtum wären.

2. Hasen sind nur was für Kinder

Falsch. Der Hase galt lange als Versuchskaninchen für spätere Hunde- und Katzenhalter. Doch der gemeine Stubenschnüffler ist längst nicht mehr nur in Kinderzimmern Zuhause. Rentner, die nicht mehr mit Lumpi Gassi gehen können, holen sich stattdessen Hoppel ins Haus. "Aber die meisten Tiere gehen an junge Paare zwischen 20 und 25", sagt Familie Röder. Meist sind es die Frauen, die sich auf dem Hof dann ihren Lieblingsrammler aussuchen. "Die Männer stehen unbeteiligt daneben und tun erst mal ganz cool." Doch wenn das Paar dann zum ersten Mal verreist und Rudi Rammler in der Kaninchenpension "Löwenzahn" abgibt (Maniküre, Pediküre inklusive), können sich die Herren dann plötzlich nicht von ihrem Kumpel trennen. Vielleicht rührt die Freundschaft zwischen Mümmler und Mann daher, dass Letzterer auch den folgenden weit verbreiteten Irrtum als solchen entlarvt hat.

3. Hasen können immer

Wie der Osterhase zu seinem Job mit den Eiern gekommen ist, weiß man nicht so genau (siehe Kasten). Soll etwas mit Fruchtbarkeitssymbolik und Frühlingsgefühlen zu tun haben. Moppi hätte jedenfalls schon wieder Lust. Neugierig macht er Männchen und checkt die Bunnys. Zwergwidder Moppi ist Röders bester Rammler. "Der macht richtig schöne Babys", sagt Manuela Röder. "Doch normalerweise sind drei Jahre das höchste der Gefühle." Danach ist für die meisten Zuchtkarnickel Schluss mit lustig. "Das ist nämlich sehr anstrengend für die Tiere", klären die Zuchtexperten auf. Moppi ist eine Ausnahme. Er ist schon fünf – fast ein Heesters unter den Hasen – und die Bunnys sind immer noch ganz heiß auf ihn.

4. Ein Hase kommt selten allein

Das stimmt – zumindest teilweise. Meist hat ein Wurf etwa fünf Junge. Schließlich kann einer allein nicht alle Eier verstecken. DEN einen Osterhasen – tut uns leid, liebe Kinder – gibt es also gar nicht. Etwas anderes will Familie Röder aber ins rechte Licht rücken: Allen Ratgebern zum Trotz, müssen Zwergkaninchen nicht zwingend paarweise gehalten werden. "Auch Kaninchen gehen sich manchmal richtig auf die Ketten. Da geht es einem Tier oft besser, wenn es Single bleibt." Stattdessen betrachten viele Hasen einfach den Halter als Partner. "Manche Kaninchen werden so zutraulich wie Hunde und hoppeln ihrem Herrchen immer hinterher."

5. Hasen schmecken gut

Nein, nein und nochmals nein! Den eben erwähnten Hund würde schließlich auch keiner freiwillig als österlichen Festtagsbraten auftischen. So ein zarter Rammler in Rotweinsoße mag ja dem einen oder anderen durchaus munden. Aber wahren Kaninchenfreunden dreht sich beim Gedanken an Hasenklein der Magen um. Familie Röder selbst lässt sich zwar hin- und wieder ein Kaninchen schmecken, aber nie eins von ihren eigenen. "Zwischen Schlachthasen und Schmusehasen ist schließlich ein großer Unterschied", betonen die Experten. Bei den klassischen Kaninchenzüchtern, die ihre Prachtrammler auf Ausstellungen präsentieren, sieht das ganz anders aus. Wenn ein Mümmelmann da nicht alle Normen erfüllt, liegt der Hase ganz schnell im Pfeffer. Na dann, frohe Ostern!

(erschienen: Märkische Allgemeine 07/04/2007)